Das Heizungsgesetz – nicht ohne uns Mieter:innen!

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Offener Brief an die Bundesregierung

Monatelang haben sich die teils heftigen Debatten zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) nur um Eigenheimbesitzer:innen gedreht. Dabei wurden die am meisten Betroffenen völlig ausgeklammert: Wir, die Menschen, die zur Miete wohnen. Wir sind immerhin die Hälfte aller Einwohner:innen Deutschlands, in Großstädten oft mehr als drei Viertel. Die Klimakrise betrifft und bewegt auch uns. Wir wollen den notwendigen ökologischen Umbau, um unseren Planeten zu retten! Und wir wollen im Sommer nicht in überhitzten Wohnungen schwitzen, im Winter nicht frieren. Aber durch die Modernisierungsumlage können Vermieter:innen die gesamten Kosten auf unsere Miete aufschlagen und sie dauerhaft erhöhen. Diese Umbauten sollen das Klima für alle schützen und steigern den Wert der Immobilien – warum müssen wir also allein dafür zahlen?

Statt an dieser Situation etwas zu verbessern, verschlechtert das neue Gesetz die Situation für uns Mieter:innen und für das Klima weiter: Denn die „Technologieoffenheit“ im GEG erlaubt weiterhin Gas- und Ölheizungen einzubauen – eine ökologische Katastrophe und die absehbaren Kostensteigerungen für fossile Energie müssen wieder wir Mieter:innen allein tragen!

Karin K., Mietergemeinschaft Niederrad, Frankfurt/Main:
„Durch Inflation und durch die steigenden CO2-Abgaben auf Energiepreise verlieren viele von uns ihren gewohnten Lebensstandard.“

Robin Weisbach, Stadtteilinitiative Vernetzung Süd, Leipzig:
“In Wohnungsmärkten, die stark angespannt sind – wie bei uns in der Leipziger Südvorstadt – führen Modernisierungen zur Verdrängung aus dem Stadtteil. Wir sehen das bei den Bestandsmieter:innen, ihrer Beunruhigung, keine vergleichbare preiswerte Wohnung im Stadtteil finden zu können und deshalb der Modernisierung ausgeliefert zu sein. Noch deutlicher wird der Verdrängungscharakter von Modernisierungen, wenn wir hören, dass die bereits leer gezogenen Wohnungen nach der Modernisierung um mehr als das Doppelte (im Vergleich zu den Bestandsmieten) neu vermietet werden sollen. Wer fürchtet da nicht eine Modernisierung – auch wenn sie ökologisch sinnvoll ist?”  

Elisabeth Staudt, Deutsche Umwelthilfe e.V:
“Mit dem novellierten Gebäudeenergiegesetz ist die Kapitulation der Bundesregierung vor den Klimazielen in Gesetzestext gegossen. Statt der versprochenen Wärmewende wird der Einbau von fossilen Heizungen weiterhin zugelassen und damit fossile Strukturen auf die nächsten Jahrzehnte gefestigt. Unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit werden erneuerbare Beimischungsquoten für das Heizen mit Öl und Gas ermöglicht, über die am Ende vor allem Mieter:innen einer unkalkulierbaren Heizkostenspirale ausgesetzt sind.“

Offenkundig haben die Gesetzgeber:innen weder zur Kenntnis genommen, dass Mieten und Energiekosten ohnehin dramatisch gestiegen sind, noch dass die meisten privatwirtschaftlichen Eigentümer:innen in den vergangenen Jahren satte Renditen verbuchen konnten, auch weil sie ihre Wohnungsbestände vernachlässigt haben. Die Vermieter:innen profitieren seit Jahren vierfach: Notwendige Instandhaltungen, für die Vermieter:innen sorgen und zahlen müssen, werden unterlassen. Dann werden sie unter dem Deckmantel der „Modernisierung“ auf die Mieter:innen abgewälzt. Das modernisierte Haus wird im lokalen Mietspiegel höher verortet und kann teurer neu vermietet werden, und die Modernisierung kann dann noch steuerlich abgesetzt werden.

Kotti & Co, Berlin:
“Der soziale Wohnungsbau ist nur eine soziale Zwischennutzung – der Schutz von Sozialmieter*innen in unserem Quartier am Kottbusser Tor läuft immer weiter aus und ein unsoziales GEG kommt da dann noch obendrauf. Wir haben bereits überdurchschnittlich hohe Betriebskosten und trotzdem kaputte Heizungen, Warmwasserausfälle im Winter, ausfallende Fahrstühle und Schimmel in der Wohnung, weil die Instandhaltungspauschale in den vergangenen Jahrzehnten eben nicht in den Erhalt der Häuser gesteckt wurde. Das ist für uns die Ausgangslage auf die eine Modernisierung in unbekannter Größenordnung zusätzlich drauf kommt.”

Wir, ein Zusammenschluss von Mieter:innengemeinschaften und -vereinen sowie von Umweltorganisationen fordern daher von der Ampel-Koalition den Schutz der Mieter:innen beim Heizungstausch konsequenter auszugestalten.

Sebastian Bartels, Geschäftsführer im Berliner Mieterverein e.V.:
„Wir fordern, dass die Modernisierungsumlage ganz abgeschafft wird. Es ist völlig ausreichend, die bessere Energiebilanz – und damit verbunden – den gestiegenen Wohnwert nach sinnvollen energetischen Modernisierungen ausschließlich im System der ortsüblichen Vergleichsmiete zu berücksichtigen.” 

Dr. Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg:
„In Hamburg führen Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen nicht selten zur Verdrängung der bisherigen Bewohnerschaft, weil insbesondere bislang preisgünstiger, energetisch schlechter Wohnraum modernisiert wird, in dem einkommensschwächere Haushalte leben. Der wirksamste Schutz vor finanzieller Überforderung ist, die Mieterhöhung wegen Modernisierungsmaßnahmen ganz zu verbieten. Stattdessen muss ein anderer Weg gefunden werden, wie die finanziellen Herausforderungen, vor die uns Energiewende und Klimaschutz stellen, gemeistert werden können.“

Die Vermögensgewinne der letzten Jahre müssen reinvestiert werden in Wohnraum und klimaschützende Maßnahmen im Gebäudebestand. Statt Einnahmen für hohe Renditenausschüttungen oder private Gewinnabführung zu benutzen, sollte das Geld in energetische Modernisierung fließen. Die Gelder für ökologisch notwendige Maßnahmen müssen – unter Berücksichtigung der Stimmen der Bewohner:innen – in eine soziale und klimaangepasste Bewirtschaftung der Immobilien fließen und damit gesellschaftlichen Zielen dienen.

Die Machtverhältnisse zwischen Mieter:innen und Eigentümer:innen sind extrem ungleich, wie sich im GEG wieder einmal zeigt. 

Dagmar N., Mietergemeinschaft Niederrad, Frankfurt/Main:
„Wir haben kaum Möglichkeiten für unsere Rechte einzutreten, da das Mietrecht auf Einzelvertragsrecht abgestellt ist. Daher sollte im Mietrecht der Zusammenschluss von Mietenden als Verhandlungspartner für die Vermietenden benannt werden.“ 

AG Kotti Süd, Berlin:
“Wir wünschen eine Beteiligung der Quartiersbewohner bei Modernisierungsplanungen, damit eine breites Verständnis für den Zusammenhang von energetischer Modernisierung und einer Warmmietenneutralität entsteht. Dabei ist es nötig, daß es auf Eigentümerseite eine Offenheit für innovative Lösungen gibt (zum Beispiel die Einbeziehung von Abwasserwärme für die Wärmewende). Das Wahrnehmen für Wirkungen aus verschiedenen Maßnahmen im Verbund ist der eigentliche Paradigmenwechsel – ob im Quartiersgrün für Hitzeschutz, bei Wärmeversorgung und Energiegewinnung oder der Energieeffizienz von Gebäuden. Wir brauchen eine gemeinsame Vereinbarung zwischen Eigentümer, Mieterschaft und kommunalen Verantwortlichkeiten über den sozialverträglichen Ablauf von Sanierungsmaßnahmen.” 

Die Bundesregierung hat mit dem GEG eine große Chance für mehr Klima- und Mieter:innenschutz vertan. Als Vertreter:innen von Mieten- und Klimabewegung treten wir gemeinsam für eine sozial-ökologische Wärmewende ein, bei der niemand Angst haben muss, aus seiner oder ihrer Wohnung verdrängt zu werden.

Kate Cahoon, Klima-Campaignerin Deutschland, 350.org:
“Klimagruppen und Mieter:innen haben ein starkes Interesse an Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen, bezahlbaren Wärme für alle führen. Im Gegensatz zur Gasindustrie haben Mieter:innen allerdings keine starke Lobby, die ihre Interessen vertritt. Das neue Gesetz ist stark zugunsten der Vermietenden und der fossilen Industrie verzerrt. Deshalb schließen wir uns als Bewegungen zusammen, um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen und eine gerechtere, klimafreundliche Wärmewende zu fordern.” 

Wir, das Netzwerk „Mieter:innen4Future“, fordern die Bundesregierung auf, keine Politik gegen die Mehrheit zu machen und die Kosten für die Wärmewende nicht auf die Mieter:innen abzuwälzen.

Wir fordern: Wärmewende sozial und gerecht gestalten und damit die Mieter:innen für den Klimaschutz gewinnen!

Dafür sind drei Schritte notwendig:

Keine Abwälzung der Kosten der Wärmewende auf Mieter:innen 

  • Streichung der im GEG beschlossenen zweiten Modernisierungsumlage (§ 559e BGB) 
  • Abschaffung der Modernisierungsumlage (§ 559 im BGB)
  • Nachhaltige Heizanlagentechnologien im GEG konkretisieren, Technologieoffenheit revidieren und Risiko von Mehrfachkosten für Mieter:innen ausschließen
  • Pflicht zur Transparenz der Modernisierungskosten (Aufschlüsselung nach Instandhaltung, Gebäudedämmung und Energiekosten)
  • Abschaffung der Zwangsabnahme von Energie bei Tochtergesellschaften der Baukonzerne

Recht auf Modernisierung einführen

  • Ein Recht auf modernisierte Wohnungen für Mieter*innen und die Kommunalisierung von Wohnungsbeständen, bei denen Vermietende ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachkommen
  • Weitreichende ökologische und energetische Standards für die Gebäudemodernisierung
  • Einführung einer verbindlichen Nachweispflicht für die Energieeinsparung durch die energetischen Modernisierungsmaßnahmen, sowohl als gesetzliche Pflicht als auch in der praktischen Umsetzung durch Überprüfung nach der Umsetzung 

Recht auf Mitbestimmung bei Modernisierung

  • Einrichtung von Sanierungsbeiräten zu Beginn der Planung von Modernisierungen
  • Einbeziehung der Mieter:innen bei Entscheidungen über energetische Modernisierungsmaßnahmen, Zeitplan, Umsetzmöglichkeiten etc.

Netzwerk Mieter:innen4Future

Mietergemeinschaft Niederrad, Frankfurt/Main ▫ Stadtteilinitiative Vernetzung Süd, Leipzig ▫ Eine Stadt für alle! Frankfurt/Main ▫ Mieterprotest Kosmosviertel, Berlin ▫ Kotti & Co, Berlin ▫ AG Kotti Süd, Berlin ▫ Berliner Mieterverein e.V. ▫ Mieterverein zu Hamburg von 1890 r.V. ▫ Deutsche Umwelthilfe e.V. ▫ 350.org

Wer Interesse hat, diesen offenen Brief mitzuzeichnen, kann sich gerne unter mieterinnenforfuture@gmail.com melden!

Pressekontakte 

Robin Weisbach, Stadtteilvernetzung Süd Leipzig, vernetzung-sued@protonmail.com

Franziska Schulte, Berliner Mieterverein, schulte@berliner-mieterverein.de 

Peter Schmidt, Mieterprotest Kosmosviertel Berlin: admin@mieterprotest-kosmosviertel.de